Vom Tee- und Kaffeeimporteur zur Schokoladenfabrik
Im November 1745 gründete der Hugenotte Jean George Riquet (1713–1791) in der nahen Katharinenstraße die Firma Riquet & Co als ein Geschäft für den Import von Tee, Kaffee und anderen exotischen Artikeln, später ergänzt durch einen öffentlichen Kaffeeausschank. Nach kurzer Zeit war der Name Riquet in der Welt des Kaffees und der gehobenen Gesellschaft mit ihren galanten Lebensformen weit über Sachsen hinaus ein Begriff. Kein Wunder, dass auch der junge Goethe nicht nur an Bälle und Konzerte dachte, wenn er von Klein-Paris schwärmte. Als ein bekennender Anhänger der Schokolade aus dem Hause Riquet ließ er sie sich sogar nachschicken, wenn er unterwegs war, und stand überdies in engem Briefwechsel mit dem Firmengründer. Unter der Leitung des Leipziger Architekten Paul Lange begannen 1907 die ersten Vorplanungen für den Umbau des Riquethauses am heutigen Standort, in einer der „zukunftsreichsten Straßen“, wie die Zeitgenossen überzeugt waren.
Architektonische Besonderheiten
Als Geschäfts- und Messehaus für die gefragten überseeischen Artikel und die Spezialitäten aus eigener Produktion der Riquet Schokoladenfabrik geplant, zieht das Gebäude auch heute noch die Blicke auf sich. Angelehnt an die klassische asiatische Baukunst, entschied sich der Architekt für einen pagodenhaften Dachaufbau und eine außergewöhnlich farbenprächtige Fassadengestaltung. Geprägt wird das Gebäude von mächtigen Pfeilern aus bayrischem und schwedischem Granit, den hohen Räumen im Inneren, der großzügigen Galerie. Und überall finden sich Jugendstildetails, die sich überraschend harmonisch in die asiatisch anmutenden Formen integrieren. Die kupfergetriebenen, lebensgroßen Elefantenköpfe zu beiden Seiten der Eingangstür – das Markenzeichen der Firma – sind auch im 21. Jahrhundert noch eines der liebsten Fotomotive bei den Menschen, die die Stadt besuchen.
Das Riquethaus seit dem 20. Jahrhundert
Krieg und Nachkrieg verschonten das Riquethaus nicht. Der charakteristische Turmaufbau wurde zerstört, das Obergeschoss brannte aus. Erst 1961 begann ein Ausbau der vierten Etage, um das Haus einerseits wetterfest zu machen und andererseits 200 qm dringend benötigter Gewerbefläche zu erhalten. Ins Erdgeschoss zog ein Porzellangeschäft der staatlichen Handelsorganisation (HO). Nach der politischen Wende in der DDR erfolgte um 1994/95 die Restaurierung des Ensembles durch einen Kölner Architekten – einschließlich Türmchen und Ladeneinrichtung. Seitdem haben Ortsansässige und Gäste Gelegenheit, im Kaffeehaus Riquet zu Köstlichkeiten aus Leipziger Backstuben, wie den beliebten Leipziger Lerchen, ein erlesenes Angebot an Tee-, Schokoladen- und Kaffeespezialitäten zu genießen. Ganz bewusst anknüpfend an die beachtliche bürgerliche Kaffeehaus-Kultur Leipzigs.
Jean George Riquet und seine Zeitgenossen wären überrascht von der Entwicklung der Produkte und sicher auch von der unseres Publikums. Längst kommen nicht mehr nur die Rohstoffe aus aller Welt – unsere Gäste tun das auch. Teilen Sie mit uns Ihre Erinnerungen und Ihr Wissen in Bezug auf das Riquethaus und seine Geschichte: cafe@riquethaus.de
Das Kaffeehaus Riquet: ein Unternehmen mit hugenottischen Wurzeln
Das Riquethaus Leipzig gehört zu den Unternehmen mit hugenottischen Wurzeln. Als Hugenotten werden seit circa 1560 französische Protestanten bezeichnet, deren Glaube von der Lehre des Johannes Calvin beeinflusst ist. Die Hugenotten waren vor allem im 15. und 16. Jahrhundert Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt. Unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. erreichte die Verfolgung ein solches Ausmaß, welches über 250.000 Hugenotten ab 1685 zur Flucht in umliegende protestantische Länder veranlasste.
So verhielt es sich auch mit der Familie Riquet, die durch Jean George Riquet im 18. Jahrhundert nach Leipzig fand. Mehr über die Herkunft der Familie Riquet und die Geschichte unseres Riquethauses lesen Sie im Hugenottenbrief 85. Jahrgang 2/2021.